MODE KUNST ARCHITEKTUR

Dieser Blog ist dem Material gewidmet, der Konstruktion, der Technik, der Opulenz und der Schönheit, dem Spektakulären, Aufregenden, Anekdotischen, den kleinen Details und dem großen Gesamteindruck, der Bewegung, der Farbe, dem Vergangenen und der Zukunft.

Gemischte Geschichten


Museum Folkwang, Essen: Bond, … James Bond - Fotografien und Filmplakate aus fünfzig Jahren 
10.11.2012 (Link)

Daniel J. Goozeé
Outer space now belongs to 007, Moonraker, 1979
Vorankündigungsplakat, Erstaufführung, USA
Moonraker – streng geheim | Moonraker
Sammlung Thomas Nixdorf
© 1979 Danjaq LLC and United Artists Corporation. All rights reserved.

Anlässlich des runden Dienstjubiläums des Filmagenten James Bond präsentiert das Museum Folkwang in Essen seit heute Plakate und Setfotos aus allen fünf Jahrzehnten der beliebten Serie. Geordnet nach den Themengebieten Architektur, Technik, Gewalt, Erotik und einem Blick auf Bonds Verkörperung des britischen Gentleman führt die Ausstellung in die phantasievolle Welt des Secret Sevice und erläutert anhand zahlloser spektakuläre Ausstellungsstücke, wie sich der gesellschaftliche Wandel nicht nur in den Bondfilmen selbst, sondern auch in den entsprechenden Plakaten manifestiert. Beim Betrachten der unzähligen, teilweise riesigen Filmplakate erlebt man das James-Bond-Universum aus einer ganz neuen Perspektive. All die Details, die üblicherweise auf zwei Stunden Filmvergnügen verteilt sind, gruppieren sich auf den Grafiken zu in einer einzigen Bildkomposition und schaffen überbordende Konglomerate aus schmalhüftigen Girls in Glitzerbikinis, exotischen Hotspots, unterirdischen Playboyparadiesen, Hubschraubern, Harpunen, Raketen, Raumstationen, Laserstrahlen, Neonfarben etc. Das gesamte Arsenal in voller Gleichzeitigkeit.

Daß mir die Ausstellung gefallen würde, war mir schon vor meiner Fahrt zur Vernissage am gestrigen Abend klar, und so blickte ich der Eröffnung voller Vorfreude entgegen. Um alles richtig zu machen, fragte ich vorher bei der Pressestelle des Museums an, ob ich über das Event auf meinem Blog berichten darf und bekam ein Placet. Mir war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst, daß es sich bei der Bond-Ausstellung tatsächlich um die bestbewachte Veranstaltung des Jahres handeln sollte, wobei es doch eigentlich gerade in diesem Kontext abzusehen war.
Daß mir sofort das Fotografieren der Ausstellungssituation verboten wurde, gerade in dem Moment, als ich meinen Fotoapparat von einer Jackentasche in die andere steckte, konnte ich noch mit einem gewissen Wohlwollen dem diensthabenden Aufsichtspersonal gegenüber akzeptieren. Auch, daß ich kurz darauf sehr konsequent darauf hingewiesen wurde, mit dem Gesicht nicht zu nahe an die allesamt unter Glas gerahmten Filmplakate heranzugehen, sah ich mit einem gewissen Humor. Geduldig erklärte ich dem Sicherheitsmann, daß man etwaige Nasenabdrücke mit einem Microfasertuch leicht von den Glasscheiben entfernen könne. Den gebührenden Abstand von jeweils fünfzig Zentimetern einhaltend fuhr ich also damit fort, mir die die riesige Sammlung anzuschauen. Unter den ausgestellten Postern befand sich sogar das Plakat zu „Funeral in Berlin“, einem Film aus der Harry-Palmer-Reihe, den Bond-Regisseur Guy Hamilton im Jahr 1966 gedreht hatte und der das beinahe noch coolere Gegenmodell zum immer elegant-glamourösen Bond darstellt (Link).

Dann aber trat der der dritte Herr vom Abwehrpersonal an mich heran und bevor er etwas sagen konnte, versicherte ich, daß ich weder fotografierte noch den Bildern zu nahe komme. Nein, beschwichtigte er mich, es ginge um etwas ganz anderes, und zwar stand diesmal meine Jacke im Fokus. Meine Jacke trug ich über meinen linken Unterarm gehängt und darin lag das Problem. Ich solle sie entweder anziehen, um die Hüften binden oder an der Garderobe abgeben. Im weiteren Verlauf des Gesprächs erfuhr ich, daß im letzten Jahr jemand, der genau wie ich seine Jacke über dem Arm trug, auf diese Weise ein Bild von der Wand gerissen habe. Ich beglückwünschte den jungen Mann daraufhin, daß es doch durchaus für die dargebotene Kunst spreche, wenn die Besucher vor Extase die Ausstellungsstücke von den Wänden reißen. Und ich wollte genau wissen, wie ich mir denn nun meinen grauen Anorak um die Hüften binden sollte. Gerade an der Hüfte trage das doch sehr auf, meinte ich, und fragte mich insgeheim, ob Roger Moore sich nach einer Dame umdrehen würde, die eine voluminöse Jacke um den Bauch gebunden hat. Kaum hatte ich mich besonnen, kam der selbe Mensch mit dem selben Anliegen schon wieder aus seiner Ecke geschossen: „Ich HATTE Sie darauf hingewiesen!“. 

Berufsethos und Pflichtbewusstsein sind Tugenden, die ich sehr bewundere, und so gab ich ordnungsgemäß das gefahrbringende Kleidungsstück an der Garderobe ab. Als ich den Ausstellungsraum mit einem lachenden „Ich trage keine Waffen am Körper“ wieder betreten wollte, wurde mir der Zutritt verwehrt. Ich hatte kein Bändchen am Handgelenk. „Nein, ohne Bändchen kommen Sie hier nicht rein“. „Ich war da jetzt schon über eine Stunde drin und der junge Mann da, hinter Ihnen, hat gerade großen Wert darauf gelegt, daß ich meine Jacke abgebe“, erklärte ich und genau jener Sicherheitsmensch eilte strahlend hinzu. „Sie kennen mich doch“, erklärte ich, und er: „ICH lasse Sie hier bestimmt nicht rein“. Die beiden hatten einen riesigen Spaß an der Situation, grinsten sich freudig erregt über ihren Triumph an und ihre Gesichter glänzten schier vor Begeisterung. Und sie blieben dabei, mich nicht noch einmal in die Ausstellung zu lassen. 

Ach ja, eines erläuterte man mir noch: es handele sich bei den Exponaten ausschließlich um Stücke aus Privatbesitz, das mache sie ganz besonders wertvoll. Für jemanden, der wie ich „selten“ zu Kunstausstellungen geht, eine durchaus hilfreiche Belehrung. Vielleicht werde ich daraufhin die Grafiken und Setfotos, die sich in meinem eigenen Privatbesitz befinden, in Zukunft aus noch größerer Nähe betrachten. Einen Nasenabdruck bekommen aber nur meine Katzenfotos. Ich lobte die Performance der Sicherheitskräfte (im Zeitalter vor Performancekünstlern wie Tino Sehgal weiß man ja nie) und fuhr wieder nach Hause, zurück nach Düsseldorf.

In der Straßenbahn schenkten mir zwei siebzehnjährige Jungs Freikarten für eine Disko namens Beate und versicherten mir, daß ich DA auf jeden Fall reinkomme. Das beruhigte mich irgendwie.



Der kleine Urbanist
21. 03. 2013 (Link)


Auf der Ecke meines Schreibtischs sitzt eine graue Taube und blinzelt mir freundlich zu. Dann verwandelt sich ihr kleiner, hautenger, silberner Fliegeroverall in weniger als einer Sekunde in etwas wie eine große, aufgefächerte Pfingstrose, aus der auf einem langen Hals ein Kopf herausragt. Die Taube ist in der Lage, jede einzelne Partie ihres Federkleides separat zu bewegen und so faltet sie sich auf, stellt die Federn wie Schuppen hoch und beginnt sich hingebungsvoll zu putzen. Es wirkt beinahe, als habe sie ihren Flügel aus dem Scharnier gehängt, wenn sie immer wieder mit dem Kopf tief eintaucht in die weißen Flügeldaunen und biltzschnell mit ihren spitzen scharfen Schnabel durchs Gefieder fährt. Es knistert wie ein Taftunterrock wenn sie sich die langen schwarzen Federn ihrer Schwingen durch den Schnabel zieht und ihr Festkleid wirkt dadurch noch kostbarer. Sie bläht sich auf zu einer barocken Gewitterwolke, zu einem ganzen Himmel in dem sich alle möglichen Grautöne aufeinander zu bewegen, glänzendes, schweres Graphit, pudriges weiches Dunkelgrau, Grau, das im Licht zu Lila und Grün changiert, ganz helles Grau, das schon fast zu Beige tendiert, zartes Blaugrau und, gut versteckt unter all der Opulenz, lichtes Weiß. 

Dann beendet sie ihr Ritual. Sie dehnt ihre Flügel, streckt ein Bein nach hinten und spannt ihre Schwanzfedern wie ein Pfau zu einem Kreis auf. Jetzt hat sie wieder die stomlinienförmige Figur einer kühnen Fliegerin angenommen, die sich von Dachfirsten stürzt und durch die Lüfte jagt, die mit ihren bernsteinfarbenen Augen alles sieht und jedem Hindernis ausweichen kann.


Und dennoch, wenn die Taube nach einem Tag voller Abenteuer die Rolle der barocken Schönheit und der mutigen Flugpionierin hinter sich lässt, Feierabend macht und sich ermattet auf ihrem Lieblingsplatz ein wenig zur Seite fallen lässt, die Flügel erschöpft herunterhängen, so daß am Rücken das weiße Unterhemd heraushängt, ihr Schnabel in den aufgeplusterterten Brustfedern verschwindet und die dicken grauen Lider immer schwerer werden, dann steht fest: Tauben sind nicht nur intelligent, lernfähig, gesellig und schön, sie bestechen auch mit einer absolut exzessiven Niedlichkeit. Man muß die kleinen Urbanisten einfach mal in Ruhe beobachten.




Philipp Plein auf der Königsallee - Über das Verhältnis zweier deutscher Modemetropolen
14.11.2011, erschienen bei René Schaller (Link)


Düsseldorf und Berlin - die beiden Städte liegen nicht nur topografisch in der   entgegengesetzten Richtung, auch ihr jeweiliges Image könnte unterschiedlicher nicht sein. Düsseldorf, ganz im Westen, wird gemeinhin mit Geld, Glitzer und rheinischer Gemütlichkeit in Verbindung gebracht. Berlin dagegen, im Osten der Republik, steht für Kreativität, aber auch für eine gewisse Strenge und, sagen wir mal, für knappere Finanzen. Im Bereich der Mode wird dieser Kontrast besonders offensichtlich, geht es hier doch nicht alleine um das Geld, sondern genauso um das Image, das man mit einem Kleidungsstück, einer Veranstaltung oder einer Stadt verbindet, und so treten Berlin und Düsseldorf in direkte Konkurrenz zueinander. Es ist kein Geheimnis, daß Berlin zwar den cooleren Ruf hat und aufgrund seiner einzigartigen Geschichte und Infrastruktur Künstler aus aller Welt anlockt, in Düsseldorf ist jedoch, u.a. aufgrund der Nähe zur Ruhrgebietsindustrie, einfach mehr Geld im Umlauf. Zudem weist Düsseldorf mit beispielsweise der IGEDO eine lange Tradition als Messestadt auf. Trotzdem schielt man hier seit Jahren neidvoll nach Berlin zur Fashion Week und im Januar 2012 wird dort zur berliner Modewoche sogar das Café Moskau als Düsseldorf-Dépendance angemietet. Man beneidet die Hauptstadt um ihr Image, obwohl Düsseldorf doch ein ganz eigenes spezielles Image besitzt und auch pflegt. Das wurde mir gerade kürzlich wieder bewusst, als ich staunend an Philipp Pleins Shoperöffnung auf der Königsallee teilnahm und zu dem Schluß kam, daß es so etwas einfach nur in Düsseldorf geben kann.

Philipp Plein? Der mit seinen Strass-Totenköpfen bekannt wurde? Genauso überrascht war offensichtlich auch René, als er die Bilder des Abends auf meiner Seite fand und er bat mich umgehend, dazu einen Bericht für seinen Blog zu schreiben. Darüber habe ich mich natürlich riesig gefreut, steht doch René mit seiner Vorliebe für Materialgerechtigkeit und Minimalismus für den Standort Berlin und ich dagegen, mit meinem Hang zu jeglicher Art von Übertreibung und Opulenz, für die düsseldorfer Position (wobei ich natürlich auch „Form follows Function“ und Sichtbeton predige).

Philipp Plein hat nun also den Unterschied zwischen den beiden Städten und der damit verbundenen Kundschaft erkannt und ganz bewusst die Düsseldorfer Königsallee als Standort für seinen ersten Shop in Deutschland ausgewählt, die repräsentative Prachtmeile und Zentrum allen Glamours (obwohl das meiste Geld eigentlich ganz woanders gemacht wird).

Der zweite Aspekt, für den Plein bekannt ist, ist sein Marketingtalent, das ihn, im Gegensatz zu den meisten Kreativen, finanziell erfolgreich macht. Marcel Berndt hat dazu einen sehr aufschlußreichen Bericht mit dem Titel „Ein Jurist zieht die Schickeria an“ für die Welt verfasst. Ich muß zugeben, daß ich mich über die Einladung zu dem verheißungsvoll angekündigten „Grand Opening“ enorm gefreut habe und ich neugierig war, wieviel Glamour Plein nun wirklich in die Stadt bringen sollte. Ich muß sagen, es hat einfach alles gestimmt an dem Event. Alles. Jedes Detail. Philipp Plein ist nicht einfach nur der Typ mit den Strassteinen, Philipp Plein ist der große Inszenator. 

Voller Vorfreude machte ich mich also am Dienstagabend auf den Weg zur Königsallee. Schon aus einiger Entfernung sah man den hell erleuchteten Eingang des aufwändig umgebauten Sevens, einer mehrstöckigen Einkaufspassage mit imposantem Atrium, deren Optik nach nur zehn Jahren nicht mehr dem Zeitgeist entsprach und nun aufwändig von Silber-Blau auf aktuelles Weiß umgestaltet worden war. Auch ein exzessives Verhältnis zu kostspieligen Bauvorhaben gehört zum Bild unserer Stadt. 


Schaulustige pressten sich gegen die Absperrung, dunkle Wagen fuhren vor und zahllose Prominente in bodenlangen Chiffonkleidern oder schwarzen Ledermonturen betraten auf dem ebenfalls schwarzen Teppich den weißen Lichtkegel, der aus dem Inneren des Gebäudes kam. Die gesamte Inszenierung kam der einer Filmpremiere gleich. Pleins Laden selbst befindet sich direkt am Eingang des Gebäudes, sodaß dem Passanten schon vom Trottoir aus der riesige strassbesetzte Totenschädel entgegengrinst, das Markenzeichen des Unternehmens. Da die offizielle Eröffnung des neuen Sevens erst am Donnerstagmorgen stattfinden sollte, war die gesamte Passage noch abgeriegelt, diente den geladenen Gästen als Partylocation und bot Platz für einen Laufsteg. Total fasziniert von so viel Glanz tauchte ich in die Menge ein, die tatsächlich fast nur aus Gästen in Plein-Outfits bestand. 

„Reserved for the privileged“ hieß es auf der Einladung und es war beeindruckend, wie sehr es Philipp Plein gelungen war, das Publikum so auszuwählen, daß es seine Corporate Identity und den Lifestyle, für den seine Firma steht, perfekt widerspiegelte. Man sah nur aufwändig frisierte Damen in engen Lederensembles, strassbesetzte Dekolletés, Chiffon und Federn, wobei die Farbe Schwarz definitiv vorherrschte. Selbst ein Pudel war mit von der Partie, der zu seinem nachtschwarzen Naturpelz ein bunt glitzerndes Totenkopfshirt trug. 

Wenn man bedenkt, daß ich bei meinem letzten Sevens-Besuch mehrfach von den Sicherheitskräften des Hauses verwiesen worden war, da ich vor dem Umbau noch ein paar Fotos des Gebäudes machen wollte, fühlte ich mich nun mindestens genauso „privileged“ wie all die Schauspielerinnen, Models, Moderatorinnen und Milionärsgattinnen, obwohl ich anstatt eines silbernen Totenkopfes auf Schwarz einen grünen Tintenfisch auf Gelb trug.
Mehr Düsseldorf-Feeling wäre einfach nicht möglich gewesen wäre, denn tatsächlich standen all jene, die man üblicherweise mit der Königsallee in Verbindung bringt, dicht gedrängt vor Pleins Ladentür und warteten gespannt auf den Einlaß. Die Klinke in die Hand gaben sich beispielsweise Verona Pooth, Charity-Ladies wie Gisela Muth und Mutter und Tochter Ohoven, das Ehepaar Lilly und Boris Becker, Starlet Verena Kerth mit Filmproduzent Martin Krug, und sogar Lagerfeld-Liebling Baptiste war mit von der Partie. Ein Meer aus schwarzem Leder, Nieten, Strass, blonden Haaren, kernig dreinblickenden Herren, jungen Mädchen mit langen Wimpern, shiny Leggins, matten Fransen, Schulterpolstern, fransigen Matten, hohen Hacken, gebräunter Haut, braun angemalter Haut, klirrenden Champagnergläsern und glänzenden Augen und mittendrin der Oberbürgermeister, der ganz in seinem Element vom Laufsteg aus die Boutique eröffnete. Ich war beindruckt. Philipp Plein hat bewiesen, daß er es einfach beherrscht, ein Image zu erschaffen, das hundertprozentig auf Düsseldorf zugeschnitten ist.

Was will man in einer Stadt denn auch mehr erreichen, in der der ehemalige Rektor der Kunstakademie, Markus Lüpertz, im Rolls Royce vorfährt, sich mit seiner totenkopfberingten Hand auf den Schädelknauf seines Spazierstocks stütz und mit einem Blick auf das Akademiegebäude dem Publikum zuruft: „Manchmal denke ich mir, das ist alles meins.“



Das Keramion von Peter Neufert in Frechen (1970) - Ein Geburtstagsausflug
04.08.2011 (Link)


Traditionell begebe ich mich an meinem Geburtstag immer auf eine Wallfahrt, um mir ein wenig Kulturgut anzuschauen. So bestand letztes Jahr mein Ziel im Barcelona-Pavillon, aber auch „The Tempest“ in Stratford upon Avon und der „Tristan“ in Bayreuth standen schon auf dem Plan. Da ich für den Abend noch einen kleinen Umtrunk über den Dächern der Stadt plante, wählte ich für den letzten Donnerstag ein Ziel in der näheren Umgebung aus, das dennoch meinen Ansprüchen an futuristisches Design genüge tun sollte.

Ich hätte Euch an dieser Stelle gerne einen bunten Bildbericht über die städtebauliche Situation und den aktuellen Zustand des Keramions in Frechen geliefert. Dabei handelt es sich um ein scheibenförmigen Gebäude, das ganz deutlich einer Zeit der totalen Weltraum-Begeisterung entstammt und im Jahr 1970 von dem Kölner Architekten Peter Neufert und dem Ingenieur Stefan Polónyi (Link) errichtet wurde, und zwar für den Kunstsammler und Vorstand des Keramikunternehmens „Cremer und Breuer“, Gottfried Cremer. Das freundliche Personal des Keramikmuseums machte mir allerdings einen Strich durch die Rechnung. Aber der Reihe nach.

Steigt man am kölner Neumarkt in die Linie 7, so erreicht man nach einer beinahe halbstündigen Fahrt mit der Straßenbahn das Frechener Industriegebiet, wo man sich vorzugsweise auf den Vertrieb von Baumaterialien, insbesondere von Fliesen spezialisiert hat. Ich war ganz erstaunt, zwischen Garten- und Outletcentern, Tankstellen, Baustoffhandlungen und Autobahnschildern, tatsächlich den UFO-förmigen Bau Neuferts zu entdecken, machte die Umgebung doch eher den Eindruck, als kämen hier höchstens einmal ein paar Fernfahrer vorbei.

Die Damen im Museum waren sich aber durchaus ihrer exquisiten Position bewusst und wollten gar nicht auf meine Geburtstags-Gutelaune eingehen. Dies sei ein Museum, belehrte man mich, und man würde mir durchaus eine Karte verkaufen. Ach, ich wolle garkeine Postkarte sondern eine Eintrittskarte? Das sei ja etwas anderes. Deutlich merkte man, daß man im Keramion irgendwie nicht so recht auf Publikum eingestellt war, was ja auch verständlich ist, so direkt hinter dem Autobahnschild. Dennoch wollte man das Beste aus meinem Besuch machen und erklärte mir, dass hier nur Privataufnahmen erlaubt seien, eine Außenaufnahme des Gebäudes würde 500 Euro kosten. Liebe Leute, soviel hatte nicht mal ich in meinem Portemonnaie, auch wenn ich ja sonst weder Kosten noch Mühen scheue, um Fotos von den architektonischen Hotspots der Welt für meinen Blog zu machen. 

So kann ich Euch diesmal nur eine grobe Skizze liefern, zusammen mit einer Beschreibung und der Aufforderung, selbst einmal in Frechen vorbei zu fahren. Ich kann Euch nur erzählen, wie man offensichtlich in den 80erjahren im gesamten Keramion große, weiße, quadratische Fliesen verlegt und damit die Wirkung des Rundbaus zerstört hat; wie man zu dieser Zeit auch Unmengen von Stehleuchten gekauft und exakt so positioniert hat, daß die Sicht auf die elegant geschwungenen Formen der Kuppel immer gestört ist; wie man zwischen den Glaskästen mit den Exponaten Unmengen von Stühlen, Tischen und beigefarbenen Papierkörben arrangiert hat und, um alles zu toppen, den sprichwörtlichen fließenden Übergang zwischen innen und außen, der dem Architekten offensichtlich sehr am Herzen gelegen hat, ad absurdum geführt hat. Die gesamte Rückseite des Gebäudes besteht aus einer Glaswand. Und wie wir es von Richard Neutra kennen, befindet sich dort auch ein längliches Wasserbecken, das sowohl innen als auch außen der Rundung der Scheibe folgt. Der Idee des fließenden Übergangs wurde insofern Rechnung getragen, als dass beide Teile des Beckens mit grauem Schutt verfüllt und so eine mindestens genauso schöne Verbindung zwischen Innenraum und umliegendem Ackerland geschaffen wurde.

Gottseidank ist das alles ja auch egal, denn die diversen Maßnahmen können recht leicht wieder rückgängig gemacht werden. Und vielleich kommt irgendwann ja auch mal der eine Besucher, der 500 Euro für ein Gruppenbild mit seinen Bunnies hinterm Haus auf den Tisch legt.



La Tente (Link)