MODE KUNST ARCHITEKTUR

Dieser Blog ist dem Material gewidmet, der Konstruktion, der Technik, der Opulenz und der Schönheit, dem Spektakulären, Aufregenden, Anekdotischen, den kleinen Details und dem großen Gesamteindruck, der Bewegung, der Farbe, dem Vergangenen und der Zukunft.

Mittwoch, 9. Dezember 2015

Literatur und Architektur - Teil 1: Gabriele d'Annunzio und Giancarlo Maroni am Gardasee - Riva del Garda, la Città dell'Elettricità







 

Das Städtchen Riva del Garda habe ich zum ersten Mal vom Wasser aus gesehen. Tagelang waren wir mit dem Segelboot über den Gardasee gerauscht, hin und her, immer diagonal zum Wind, bis hin zu der Felsnase, die bei Limone in den See ragt, und wieder zurück, hin und her und hin und her, weit unterhalb der steil über dem glitzernden Wasser aufragenden, mattgrauen Felsmassen. Dann blieb der Mittagswind, die Ora, eines Tages aus. Wir fuhren immer langsamer und die Tage des exzessiven Durch-die-Gischt-Schießens waren zunächst einmal vorbei.







Vom Boot aus ist mir beim Segeln immer ein mächtiges gelbes Gebäude aufgefallen, dessen massive Form die viel filigraner wirkenden Häuser Rivas weit überrragte. Es erinnerte mich an die großen alten Elektrizitätswerke, die ich aus dem Ruhrgebiet kannte, wie beispielsweise das Köppchenwerk am Hengsteysee (Link). Wir lenkten unseren Flying Dutchman in den Hafen von Riva, wo schlanke Segelboote zwischen eleganter Dreißigerjahresarchitektur auf dem klaren Wasser wippten. Ganz vorne, an der Einfahrt des kleinen Hafens, grüßte ein schmaler, schlanker Art-Déco-Sprungturm auf den See hinaus. Alles schien filigran, flirrend, hell und mondän. Eine Mischung aus "Zauberberg" und "Nur die Sonne war Zeuge". 
 

Mittwoch, 11. November 2015

Mit dem Flying Dutchman im Goldenen Schnitt über den Gardasee


Verschiedene Daseins- und Ausdrucksformen allzu streng voneinander zu trennen, sie in Kategorien einzuteilen und sie am Ende in eine wertende Reihenfolge zu bringen, finde ich oft ein wenig unaufregend. Dagegen bin ich um so begeisterter, wenn sich auf einmal ganz viele verschiedene Elemente miteinander verbinden und einzelne Kunstformen wie Literatur, Architektur, alle Arten von Bildern, Mode, Bildhauerei, Choreographie, aber auch das Leben selbst, das Anekdotische, Menschliche, die Landschaft, die Bewegung und die Geschwindigkeit plötzlich ein überwältigendes Ganzes bilden, ein Gesamtkunstwerk. Nach Oscar Wilde ist das Leben selbst das größte Kunstwerk, das es zu gestalten gilt, die ganz große Inszenierung.



Vor kurzem habe ich genau so einen Zusammenschluss vieler verschiedener und allesamt vollkommener Einzelelemente erlebt, ein dreidimensionales, perfektes Bild, durch das ich mich in Pfeilgeschwindigkeit hindurchbewegt habe, im glitzernd reflektierten Licht des Sommers. Ich bin in einem Segelboot über den Gardasee gefahren, in einem weißen Flying Dutchman aus Carbon.

In aufeinanderfolgenden Worten kann man die Situation beinahe gar nicht beschreiben. Stattdessen bedarf es einer absoluten Gleichzeitigkeit, einer Überlagerung der Worte, Bilder und Eindrücke, etwas wie die Gischt selbst, durch die man hindurch schießt, die einem ins Gesicht klatscht und einem in der majestätischen Gebirgslandschaft die Perfektion des Augenblicks vergegenwärtigt – das sich auf den Moment verdichtete Leben.

Dienstag, 10. November 2015

www.SCISSORELLA.de wird sieben!




Zum siebten Geburtstag meines Blogs habe ich es endlich geschafft. Ich sitze mit einem Milchkaffee und einem MacBook in einem berliner Café und korrespondiere mit der Weltöffentlichkeit. Draußen wartet der taubenblaue Kunsttransporter auf mich. Oder ist das nur die stets beschworene Internet-Illusion und das zünftige Kartoffel-Omelett am vorderen Bildrand ist nur geliehen? Auf jeden Fall wünsche ich meinem Blog und all seinen treuen und fachkundigen Lesern alles Gute und verspreche, dass es hier bunt und glamourös weitergeht. 

Auf die Zukunft und auf die Vergangenheit! 

Fotos: J. Grölle

Donnerstag, 22. Oktober 2015

Apollo in meinem Atelier. Heinz Mack im Museum Küppersmühle in Duisburg

Heinz Mack in seiner eigens für die Ausstellung angefertigten Arbeit "Raum für Apollo".


Heinz Mack kämpft für das Schöne und bleibt dabei unbeirrt von Moden, Zeitströmungen und den Entwicklungen des Kunstmarkts. In seinem Bestreben, dem Elend der Welt etwas Schönes entgegen zu stellen, präsentiert er seit dem 21. Oktober im Museum Küppersmühle (Link) in Duisburg bisher ungezeigte Skulpturen, Gemälde und kinetische Lichtobjekte unter dem Titel „Apollo in meinem Atelier“.

Das Schöne ist nicht tot, es ist nur scheintot
Im Katalog zur Ausstellung erläutert Mack sein Verhältnis zur Schönheit in dem Aufsatz „Das Schöne ist nicht tot, es ist nur scheintot“ aus dem Jahr 1994 und bedauert dabei, dass der Begriff des Schönen in der zeitgenössischen Kunst keine Rolle mehr spielt. Für Mack selbst sind das Schöne und die Kunst zwei untrennbare Begriffe und er beschreibt in seinem Text, wie sich die Sicht auf das Schöne seit den griechischen Philosophen entwickelt hat, bis hin zur heutigen Bilderflut. Er zitiert Heraklit, Aristoteles und Plato in ihrem Streben nach Harmonie und einer Einheit von Inhalt und Form. Er geht auf Schiller ein und auf dessen Überlegung, dass es die Kunst ermöglicht, die Materie zu überwinden und den Menschen so aus deren kausalen Zwängen zu befreien und wie durch diese Entstofflichung die Schönheit zum Vorschein kommt. Heute dagegen sei in der Kunst alles erlaubt, verbindliche Werte existierten nicht mehr und anstatt einer Antwort auf die Frage, was Kunst denn nun ist, herrsche nur ein Überangebot an Kunst, eine inflationäre Kulturindustrie. Alles dürfe heute zitierbar und deformierbar sein, alles sei austausch- und kombinierbar. In diesem „hemmungslosen Bildterror“ so Mack, sei der Künstler dazu gezwungen, eine so eigene Bildsprache zu entwickeln, dass oftmals keinerlei Verbindung mehr zum bekannten Natur- und Menschenbild zu erkennen sei.

Heinz Mack kämpft für das Schöne
Bei der Pressekonferenz anlässlich der Ausstellungseröffnung im Museum Küppersmühle gab sich Heinz Mack kämpferisch wie immer. Er ärgerte sich darüber, dass das Schöne in der Kunstwelt heute ein Tabu ist, vor allem bei Intellektuellen. Für ihn selbst sei das Schöne eine Möglichkeit, dem Elend der Welt etwas entgegen zu stellen und er versprach, seine Möglichkeiten dahingehend bis an seine Grenzen auszuschöpfen. Das, was er im Katalog philosophisch fundiert ausgearbeitet hatte, schleuderte er seinen Zuhörern nun so energisch wie bildhaft entgegen. Das Schöne existiert doch, meinte er, das könne man nicht verneinen. Seine Tochter z.B. sei doch wirklich schön, da habe es schließlich überhaupt keinen Sinn, das Gegenteil zu behaupen. Spätestens bei der Ausstellungseröffnung am gleichen Abend, zu der Mack mit Tochter erschien, konnte man sich davon überzeugen.


Apollo in meinem Atelier
Heinz Mack, der sich seit seiner Zeit als Gründungsmitglied der Gruppe ZERO auf unterschiedlichste Weise mit dem Phänomen Licht auseinandersetzt, sieht im griechischen Gott Apollo den idealen Verbündeten. Homer beschreibt Apollo als den Gott der Künste und des Lichts, er ist der Glänzende, Strahlende, Leuchtende und so widmet ihm Mack im Rahmen seiner Ausstellung auch eine begehbare Arbeit, den vielfarbigen „Raum für Apollo“. Die neun glitzernden, das Licht brechenden Rotoren, die in der Küppersmühle zu sehen sind, würden Apollo vermutlich ebenso begeistern, wie die zahllosen Skulpturen und Gemälde Macks. Tatsächlich hatte Mack seit 1963 der Leinwand den Rücken gekehrt und stattdessen über Jahrzehnte hinweg mit Plexiglas, spiegelnden Flächen, Marmor, Metall, Feuer und dem Licht selbst in all seinen Erscheinungsformen experimentiert, war in die Wüste gereist, um seine Arbeiten der grellen Sonne auszusetzen und in die Arktis, bis er schließlich ab dem Jahr 1991 wieder malte: Chromatische Konstellationen.




Das geheimnisvolle Leuchten
Das Besondere an der Ausstellung im Museum Küppersmühle liegt darin, dass Apollo die dort gezeigten Arbeiten durch seine Atelierbesuchen bei Heinz Mack zwar bereits kennen mag, sie für die Öffentlichkeit allerdings bisher noch nie zu sehen waren, und das nach dreihundert Einzelausstellungen des Künstlers.  Das geheimnisvollste und schönste Objekt der Ausstellung ist vielleicht das Lichtprisma, dessen Sterne und Neonbögen immer wieder aufleuchten und verschwinden. Und im Geheimnisvollen liegt laut Mack schließlich ebenfalls etwas, was in der Kunst erhalten werden muss.



Freitag, 16. Oktober 2015

Der gekaufte Traum - Helga Reidemeisters Filme über das Märkische Viertel



Die großen Hochhaussiedlungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg überall in Europa an den Stadträndern entstanden, wurden von Anfang an scharf kritisiert. Die junge Filmemacherin Helga Reidemeister machte sich ab den späten 60erjahren ein ganz eigenes Bild vom Leben an der Peripherie, stand über Jahre hinweg in engem Kontakt zu den Bewohnern des Märkischen Viertels und drehte schließlich mehrere Dokumentarfilme über die Großwohnsiedlung im Nordwesten Berlins. Die Fotos, die Helga Reidemeister in diesem Zusammenhang aufnahm, sowie auch einige ihrer Filme aus dieser Zeit, sind noch bis zum 18. Oktober in vor Ort im Märkischen Viertel zu sehen, in der Viertelbox (Link).

Die Großwohnsiedlung am Stadtrand
Das Märkische Viertel, das in den 60er- und 70erjahren im Nord-Westen Berlins nach Plänen von Christian Müller und Georg Heinrichs angelegt wurde (Link), musste von Anfang an mit seinem Image kämpfen. Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte in Berlin ein großer Mangel an Wohnraum und sowohl in der Innenstadt als auch in dem ursprünglich sumpfigen Gebiet bei Reinickendorf, wo die neue Hochhaussiedlung entstehen sollte, lebte man in Baracken und Notunterkünften. Um der Wohnungsnot Herr zu werden, wurden schließlich sogar Gebäude abgerissen, die die Bombardements und Kriegswirren überstanden hatten, zugunsten von riesigen, neu gebauten Wohnanlagen, wie beispielsweise das Kottbusser Tor in Kreuzberg. Diese Abrisse ganzer Areale in Verbindung mit der Umsiedlung von Leuten aus ihrem gewohnten Umfeld in zunächst gleichförmig und steril wirkende Wohnblocks, die sich im schlimmsten Fall weit außerhalb der Stadt befanden, sorgten damals für Kritik und Protest. Zusätzlich zu der Entfernung der neuen Wohngebiete wie dem Märkischen Viertel, Marzahn oder der Gropiusstadt zu den lebendigen, gewachsenen Zentren Berlins, kam die anfängliche Kargheit, die die neuen Gebäude umgab. Die geplanten Grünflächen mussten schließlich erst noch zu einem harmonischen Gesamtbild zusammenwachsen und das Bild von Kindern, die auf kargem Beton spielten, prägte sich im kollektiven Gedächtnis ein. Bis heute spricht man Satelliten- und Trabantenstädten ihre Wohnlichkeit ab und kritisiert die mangelnde Lebensqualität in den Hochhaussiedlungen an den Rändern großer Städte. 


Donnerstag, 15. Oktober 2015

Interbau 1957: Paul Schneider von Esleben im Hansaviertel, Berlin



Der 100. Geburtstag des Architekten Paul Schneider von Esleben und die damit einhergehenden Ausstellungen in Düsseldorf (Link) liegen nun schon einige Wochen zurück. Die Schneider-Esleben-Begeisterung, der auf dieser Seite mittlerweile schon seit vielen Jahren Raum gegeben wird (Link), reißt hier natürlich auch weiterhin nicht ab. So lag es bei meinem letzten Besuch in Berlin nahe, auch dort ein Gebäude des Düsseldorfer Architekten zu besuchen, und zwar ein vierstöckges Wohnhaus im eleganten Hansaviertel.

Mitte der Fünfzigerjahre waren Architekten aus der ganzen Welt zusammengetreten, um im Westen Berlins die neue Bebauung des Hansaviertels zu planen. Unter den Teilnehmern des "Interbau" (Link) genannten Projekts befand sich damals neben Oscar Niemeyer, Le Corbusier, Paul Baumgarten, Egon Eiermann (Link) und Walter Gropius auch Paul Schneider von Esleben, dessen Beitrag ganz im Westen des Viertels umgesetzt werden sollte, zwischen der Altonaer Straße und der S-Bahn-Linie. Dort bildet es den Abschluss einer Reihe von vier parallel zueinander stehenden, diagonal zur S-Bahn-Linie ausgerichteten Zeilenbauten.

Paul Schneider von Eslebens vierstöckiges Gebäude besteht aus einer Basis von elf nebeneinander im Abstand von fünfeinhalb Metern aufgestellten tragenden Wänden, sogenannten Schotten, die nicht durchbrochen werden durften. Die auf diese Weise entstandenen zehn identischen Gebäudeabschnitte teilte der Architekt in jeweils zwei übereinanderliegende, zweistöckige Wohnungen ein. Dabei ordnete er die Schlafzimmer der übereinander gestapelten Wohnungen in den beiden mittleren Geschoßen des Hauses an, um dort eine besonders ruhige Zone zu schaffen. Die Lage des Zeilenbaus in der Nähe der S-Bahn-Linie verlangte es zudem, die Wirtschaftsräume und die außenliegenden Treppenaufgänge auf der Nordseite anzuordnen, sodass die Schlaf- und Wohnzimmer zum ruhigeren Süden und zur Sonne ausgerichtet sind.

Mittwoch, 9. September 2015

Scissorella berichtet im PSE-Magazin darüber, wie man mit Architektur und Mode Welten erschaffen kann

Paul Schneider von Esleben - Das Erbe der Nachkriegsmoderne. Eine Ausstellung des Museums für Architektur und Ingenierkunst NRW in Düsseldorf 

 




























Für die Ausstellung „Paul Schneider von Esleben - Das Erbe der Nachkriegsmoderne“ (Link), die anlässlich des 100. Geburtstags des Architekten im Düsseldorfer Mannesmannhochhaus und in der Architektenkammer eröffnet wurde, entwickelte das Team des Museums für Architektur- und Ingenieurkunst ein eigenes Magazin (Link). Zwischen zahllosen Texten und Fotos, die den Architekten und sein Werk in allen Facetten darstellen, befindet sich auch ein Bericht über meinen Blog und mein Verhältnis zur Mode, zur Kunst und zur Architektur. Im Zusammenhang der Architekturgeschichte und des Jetsets der Nachkriegsmoderne so schön präsentiert zu werden, freut mich natürlich sehr!

Neben dem Film ist die Architektur das ideales Medium, um die alltägliche Realität zu verlassen und sich für eine bestimmte Zeit in eine ganz andere Welt zu begeben. In einem anspruchsvoll geplanten Gebäude beziehen sich die einzelnen Elemente aufeinander, bis hin zum kleinsten Detail. Somit erfüllt gute Architektur im Idealfall den Anspruch an ein Gesamtkunstwerk. Vergleichbar ist es beim Film, wo der gebaute Raum zusätzlich in einem Verhältnis zur Bewegung der Figuren und der Kamera, zum Rhythmus der Schnitte und der Sprache und nicht zuletzt zu den Materialien, Formen und Proportionen der Kostüme steht. Aus diesem Grund war und ist es mir oft nicht möglich, Architektur getrennt von anderen Kunstformen zu betrachten, sondern als berauschendes, überwältigendes Gesamtarrangement aus Material, Form, Licht, Bewegung, technischen Details, skurrilen Anekdoten, interessanten Personen etc.

Foto: Michael Zimmermann
Als ich anfing, Kleider zu entwerfen und zu nähen, schwang dabei oft der Gedanke mit, dass man sich durch ein Kleidungsstück in seiner Phantasie an einen Ort versetzten kann, den man in der Realität nicht erreichen kann. Ein Kleid anstatt eines Hauses.Mit der Zeit wurden mir dann Gestaltungs- und Konstruktionsprinzipien der Architektur klar, die wiederum in meine Kleiderentwürfe einflossen.

Ich entwickelte einen Blick für die verschiedenen Stilepochen in der Architektur, ein Gespür für das Bildhauerische, das Skulpurale und den Rhythmus, also all das, was sich genau so auf die Mode anwenden lasst, auf die Literatur und in allen anderen Formen der Kunst erscheint.

Einer der Architekten, die mit ihren Gebäuden das Ziel des Gesamtkunstwerks verfolgten und darüber hinaus nie eine Grenze zwischen Kunst und Leben zogen, war Paul Schneider von Esleben. Das Bild Düsseldorfs in der Nachkriegsmoderne wurde maßgeblich von den Bauten PSEs, wie ihn seine Fans nennen, geprägt. Den Berichten und Bildern des PSE-Magazins nach, das anlässlich der Ausstellung des M:AI erschienen ist, musste allerdings auch der Architekt selbst dem Bild eines typischen Jetset-Lebemanns dieser Zeit entsprochen haben. Nicht umsonst wurde PSE als „Schneider-Jetleben“ bezeichnet. Er entwarf elegante Hochhäuser und sah einen Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach der Hanielgarage vor, er plante den modernen Flughafen in Köln Bonn und jettete von dort aus rund um die Welt, er entwarf sich sein eigenes Segelboot, mit dem er nach Südfrankreich fuhr, zu seiner Villa direkt an der Küste, er legte natürlich Wert auf seine Garderobe und - wenn man die Details eines Hochhauses entwirft, warum sollte man dann nicht auch Schmuck entwerfen können? Kurz: PSE gestaltete sein gesamtes Leben als Gesamtkunstwerk.

Scissorella und PSE-Autorin Jenny Janson (Foto: Ellen Heyer)



Um das Lebensgefühl, für das Paul Schneider von Esleben steht, lebendig zu vermitteln, entschlossen sich die Macher des PSE-Magazins Autorin Jenny Janson und Paul Andreas, der Kurator der Ausstellung, auch einen Bericht über die Verbindung von Mode und Architektur in ihr Programm aufzunehmen.

Dass sie sich dabei an mich wandten, freute und überraschte mich natürlich riesig. Beide hatten unabhängig voneinander einen Bericht auf meinem Blog entdeckt, bei dem ich in einem von mir entworfenen Kleid vor der Hanielgarage posiere (Link).

Als ich das Kleid entwarf, das ich auf den Fotos trage, war ich gerade im absoluten Fünfzigerjahres-Fieber. Ich war fasziniert von den Filmen, der Mode, dem Design und der Architektur der Zeit und suchte in meiner Umgebung immer nach etwas, mit dem ich mich auf eine Zeitreise begeben konnte. Die Hanielgarage entsprach in ihrer Form, in dem Zukunftsglauben, der ihrer Konstruktion zugrunde liegt, in ihren Technicolor-Farben genau der Atmosphäre, die ich suchte, bis hin zu dem ihr angeschlossenen Motel, das in jedem Amerikanischen Spielfilm der Nachkriegszeit eine Rolle spielen könnte.


Donnerstag, 27. August 2015

Paul Schneider von Esleben - Wie man in Düsseldorf mit drei Ausstellungen an drei Orten den 100. Geburtstag des Architekten glamourös gefeiert hat



Am 23. August herrschte in Düsseldorf perfektes Segelwetter. Das intensive Sonnenlicht spiegelte sich in den scharfen Edelstahlkanten und Fensterflächen des Mannesmannhochhauses, das sich so in seiner eleganten schmalen Form beinahe schon überdeutlich vom tiefen Blau des Sommerhimmels abhob. Hunderte von Besuchern waren an diesem Sonntagvormittag in das Foyer des Bürogebäudes an der Rheinuferpromenade geströmt, um einen großartigen, runden Geburtstag zu feiern. Der Düsseldorfer Architekt Paul Schneider von Esleben wäre am 23. August einhundert Jahre alt geworden (Link).


Architektur als Gesamtkunstwerk
Die Architektur ist eine Kunstform, die viele verschiedene Kunstarten zusammenbringt und miteinander verbindet. Dazu bedarf es einer etwas umfassenderen Sicht auf die Welt, auf die Kunst und natürlich auch auf die Technik. PSE, wie man ihn heute noch gerne nennt, war so ein Architekt, der alles, was er tat, mit einem künstlerischen Blick betrachtete und zu einem großen Ganzen zusammensetze. Dazu besaß er aber auch den nötigen Unternehmergeist, um über Jahrzehnte hinweg Großprojekte umzusetzen. Er zeichnete, karikierte, notierte, entwarf Schmuck, gestaltete Möbel und hinterließ  Häuser, die dem Ideal des Gesamtkunstwerks entsprechen, bis hin zur ganz großen Inszenierung seines eigenen, glamourös wirkenden Lebens. 

Jetset mit Schneider-Esleben 
Zu seinen Gebäuden und zu seinem Leben gehörten dabei immer auch die Mobilität und die Geschwindigkeit. Nachdem er in den späten Sechzigerjahren den Flughafen Köln-Bonn (Link) entworfen und dabei die Möglichkeit geschaffen hatte, so nah wie niemals zuvor mit dem Auto an ein Flugzeug heran fahren zu können, wurde er dort bald regelmäßiger Fluggast und erhielt den Beinahmen Schneider-Jetleben. Begonnen hatte er seine Karriere mit dem Entwurf für ein gläsernes, filigran wirkendes Parkhaus mit angeschlossenem Motel, Shuttleservice und einem leider nicht umgesetzten Hubschrauber-Landeplatz – die Hanielgarage (Link).   Der Architekt und Weggefährte Werner Ruhnau gab später zu, dass er PSE damals sehr um sein Mercedes Cabrio 220 SL beneidet hätte. Nachdem die intensivste und eleganteste Möglichkeit, das Cabriofahren und das Fliegen miteinander zu verbinden, im Segeln liegt, trat PSE im Jahr 1964 in den Kieler Yachtclub ein und  entwarf sich sein eigenes Segelboot, das er nach seiner Tochter Tina benannte. Zu Schneider-Eslebens Jetset-Leben gehörte in späteren Jahren dann auch ein Haus an der Küste der Provence, das aufgrund seiner geschwungenen Formen „Haus Octopus“ genannt wurde. 

Mit Claudia Schneider-Esleben und dem Kurator der PSE-Ausstellung, Paul Andreas (Foto: Ellen Heyer)

Donnerstag, 20. August 2015

Paul Schneider von Esleben zum 100. Geburtstag - Das Musem für Architektur und Ingenieurkunst NRW feiert den Düsseldorfer Architekten mit zwei Ausstellungen

Das Erbe der Nachkriegsmoderne im Mannesmannhochhaus und in der Architektenkammer NRW

 

PSE: Mannesmannhochhaus, Düsseldorf 1956 - 58, davor eine Stahlskulptur von Norbert Kricke


PSE: ehemalige Commerzbank Düsseldorf, 1962

 
























Direkt an der Düsseldorfer Rheinuferpromenade ragt schmal und elegant das Mannesmannhochhaus auf, das in den Jahren 1956 - 58 nach Entwürfen von Paul Schneider-Esleben gebaut wurde. In seiner strengen Coolness entspricht das Bürogebäude mit seiner gerasterten Fassade in den Mannesmann-Farben blau und weiß und seinem großen Anteil an Glas, Stahl und Beton ganz dem International Style der Nachkriegszeit. Es ist eines der bekanntesten Gebäude Paul Schneider-Eslebens, das zudem wie eine Landmarke weithin sichtbar in der Silhouette der Stadt auszumachen ist. Aus diesem Grund ist das Mannesmannhochhaus der perfekte Ort, um den großen runden Geburtstag des Architekten zu feiern, der am 23. August hundert Jahre alt würde. Das M:AI, das Museum für Architektur und Ingenieurkunst, veranstaltet nicht nur eine Ausstellung zu Ehren Schneider-Eslebens, tatsächlich findet ein ganzes Geburtstags-Ausstellungs-Festival statt, das am kommenden Sonntag im Mannesmannhochhaus eröffnet, in der Architektenkammer NRW fortgesetzt wird und diverse weiter Aktivitäten wie Führungen und Vorträge mündet.


PSE: Hanielgarage, Düsseldorf, Fertigstellung 1952





























Montag, 17. August 2015

Platform Fashion Düsseldorf, Tag 2: Fashion Net Presents Düsseldorf Designers in der Alten Federnfabrik des Areal Böhler



Rita Lagune für Fashion Net
Bei der Juli-Ausgabe der Platform Fashion (Link) nahm der Fashion Net e.V. Düsseldorf (Link) zum ersten Mal mit einer eigenen Modenschau teil. In den letzten Jahren hatte der Verein immer wieder mit ganz unterschiedlichen Veranstaltungen dafür gesorgt, dass Düsseldorf weltweit seinen Ruf als Modemetropole ausbauen und festigen konnte, dabei reichte die Bandbreite der Events von Parties bis zu hin zu Vortragsreihen wie das Fashion Net Education Center (Link) , bei dem Modeikonen wie z.B. Patricia Field zu Wort kamen.

Nach einer Einführung von Fashion-Net-Leiter Wolfgang Hein zeigten am zweiten Tag des Modewochenendes die Labels Strehlow, ELA und Rita Lagune (Link) ihre Modelle und bewiesen dabei, wie vielfältig und individuell die Düsseldorfer Modelandschaft ist. Von futuristisch-funktional-schwarz  bei Strehlow und ELA bis zu zart-verspielt und farbenfroh bei Rita Lagune blieb kein Wunsch unerfüllt. Eingeleitet und untermalt wurde die Show des Labels von Marion Strehlow zudem durch das Elektronik-Duo BAR (Band am Rhein). Was mich allerdings ganz besonders gefreut hat, war das Wiedersehen mit Ruth Heinen und Ihrem Label Rita Lagune. Vor einigen Jahren habe ich Ruth Heinen im Rahmen eines spektakulären Filmdrehs kennen gelernt, bei der ihre Entwürfe neben der griechischen Landschaft für den entsprechenden Glamour gesorgt haben und ich dabei als Scriptgirl die Timecodes notiert habe. In Düsseldorf führt die Mode eben alle immer wieder zusammen.


Samstag, 15. August 2015

Platform Fashion Düsseldorf, Tag 1: Die AMD Best Graduate Show in der Alten Federnfabrik des Areal Böhler


Folgt man dem Weg zu all den Gebäuden und Plätzen, in und auf denen die Veranstaltungen rund um die Düsseldorfer Modewoche seit einiger Zeit stattfinden über mehrere Saisons hinweg, so gelangt man zu den schönsten und geheimnisvollsten Orte der gesamten Stadt. Eine ganze Weile ist es nun schon her, dass die letzen CPD-Modenschauen in den Messehallen im Norden der Stadt stattgefunden haben (Link). Seitdem traf sich die Modewelt im ehemaligen Amerikanischen Konsulat (Link), einem Gebäude der Architekten Skidmore, Owings and Merril auf der Cäcilienallee, im ehemaligen Gefängnis Ulmer Höh’ (Link), in der Halle 6, einer für ihre Kunstveranstaltungen bekannten, luftigen Industriehalle (Link), Im Kugelzelt auf der Fläche zwischen Ehrenhof und Rheinterrasse, mehrfach in der ehemaligen Schraubenfabrik Max Mothes in Bilk (Link) und zuletzt im Februar in den Schwanenhöfen (Link). Eine besondere Rolle hat dabei immer der Fashion Net e.V. gespielt (Link), der mit großem Einsatz dafür sorgt, dass Düsseldorf weltweit als DIE Modemetropole bekannt ist und bleibt. In der vierten Saison des Erfolgskonzepts Platform Fashion zog man nun zum ersten Mal mit den Schauen ins Areal Böhler (Link) das mit seinem markanten Spitzbunker und seinen Kaminen auf der Stadtgrenze zwischen Düsseldorf und Meerbusch gelegen, weithin sichtbar ist. Ganz unbekannt war das ehemalige Stahlwerk dem modeinteressierten Publikum nicht, hatte hier doch bereits vor zwei Jahren das Festival des Métiers der Firma Hermès stattgefunden (Link). Für die aktuelle Ausgabe der Platform Fashion bezog man nun die Alte Federnfabrik des ehemaligen Industriegeländes.

Dienstag, 28. Juli 2015

Platform Fashion Teil vier in den Böhlerwerken: Düsseldorf wieder einmal im totalen Modetaumel


In Düsseldorf war das gesamte vergangene Wochenende mit all seinen Schauen und Events ganz der Mode gewidmet. Dabei habe ich wieder einmal so viel erlebt und so viele Fotos gemacht, dass ein umfassender Bericht noch eine kleine Weile dauert. Also, seid gespannt!

Montag, 13. Juli 2015

Schwarzes Leder trifft auf Gold und Champagner: Der Amerikanische Architekt Peter Marino gestaltet für Dior den Pavillon des Kö-Centers um


Dies hier sind die eigentlichen Künstler, die die Entwürfe des New Yorker Architekten Peter Marino für Dior auf der Kö Nacht für Nacht umgesetzt haben


Für den Aufstieg Düsseldorfs zur Modemetropole nach dem Zweiten Weltkrieg steht wie ein schimmerndes Symbol das Kö-Center. Nachdem das Modeunternehmen Eickhoff über Dekaden hinweg den Pavillon des Architekturensembles aus den Sechzigerjahren bespielt hat, ist dort nun eine Dior-Filiale eingezogen.

In der Aufbruchsstimmung der Nachkriegszeit wurde die gesamte Stadt modernisiert, es entstanden Durchfahrtsstraßen, neue Wohn- und Büroviertel (Link) wurden angelegt, plötzlich überspannte das Stadtzentrum eine Hochstraße (Link), die den Verkehr an der stählernen und gläsernen Fläche des Dreischeibenhauses und den Schwüngen des neuen Schauspielhauses vorbeiführte. In der Architektur orientierte sich Deutschland nun deutlich an Amerika, man baute breite, flache Bungalows und Hochhäuser im International Style. Düsseldorf übernahm gleich mehrere absolut innovative Ideen aus dem Kontinent jenseits des Atlantiks. So entstand 1961  mit der Hortenzentrale von Helmut Rhode (Link) das erste Gebäude des frisch angelegten Büroviertels Am Seestern und damit das erste Großraumbüro Deutschlands. Das Kö-Center auf der namensgebenden Prachtallee ist wiederum ein ganz frühes Beispiel für ein Einkaufszentrum nach Amerikanischem Vorbild und wurde 1967 eröffnet. In seinen klaren, rechtwinkligen Formen und mit seiner matt schimmernden Aluminiumfassade besteht das Kö-Center aus einem Ensemble verschiedener Geschäfte, einer legendären Disco und einem Hochhaus, das mit der Inschrift „Aluminium-Zentrale“ gekrönt ist.

Eickhoff im Kö-Center
In dem dem Hochhaus vorgelagerten Pavillon befand sich bis vor etwa einem Jahr noch das Ladenlokal der Firma Eickhoff (Link), die zusammen mit dem Uhrenhändler Blome für den traditionsreichen Luxus der Königsallee stand. Nachdem er seit 1961 seinen Modesalon in Lippstadt betrieben hatte, eröffnete Albert Eickhoff im Jahr 1981 eine Boutique auf der Königsallee und zog kurz darauf zu Blome ins Kö-Center, der dort nach wie vor seine Werkstatt und seinen Laden betreibt. Eickhoff hatte bereits in Lippstadt Entwürfe von Prada, Gucci und Chloé verkauft und wurde nicht zuletzt dadurch bekannt, Gianni Versace zu entdecken und als Erster seine Kollektionen in Deutschland zu verkaufen. Vor einem Jahr dann ging die Ära Eickhoff auf der Kö zu Ende und der damals 79jährige zog sich ins Privatleben zurück. Dass Dior nun die beiden Etagen des Pavillons gemietet habe, erzählte man sich in der Stadt, und die ehemals opulent gefüllten Schaufenster wurden großflächig mit Folien zugeklebt.

Die Neugestaltung: Peter Marino
Als der Amerikanische Architekt Peter Marino (Link) schließlich den Auftrag zur Neugestaltung des Ladens erhielt, betrat er damit nicht unbedingt Neuland. Mit dem International Style bzw. dem coolen Look der Nachkriegsmoderne ist Marino bestens vertraut, arbeitete er doch zu Beginn seiner Karriere bei Skidmore, Owings and Merrill (Link) und dem Designer und Architekten George Nelson (Link). Auch das Thema Mode ist Marino mehr als nur ein theoretischer Begriff. Seit langem ist der heute Sechsundsechzigjährige mit einer Kostümdesignerin verheiratet und hat sich schließlich darauf spezialisiert, luxuriöse Modegeschäfte in der ganzen Welt auszustatten. Zu seinen Kunden zählen Chanel, Fendi und Louis Vuitton, deren Läden er zwischen Beverly Hills und Japan mit Kunst und Design versorgt.


Donnerstag, 18. Juni 2015

Achenbach Art Auction Düsseldorf bei Van Ham


Innerhalb weniger, sehr spannender Tage wird zurzeit ein Großteil von Helge Achenbachs Sammlung versteigert. Alleine die Vorbesichtigung bot schon einen Rundgang durch die Kunstgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts. Gestern, am Mittwoch dieser Woche, wurden nun Immendorfs legendäre Affen Zeuge davon, wie sie selbst versteigert wurden. Ich fände es gut, wenn sich einer der geheimen Bieter am Telefon im Nachhinein als die Stadt Düsseldorf herausstellte und wir den allseits bekannten Immendorf-Plastiken bald wieder begegnen würden. Heute, am zweiten Tag der schon jetzt historischen Versteigerung, lag der Fokus eindutig auf Heinz Mack. Ab heute, so der Auktionator, werden die Mack-Preise ganz neu definiert.

Dienstag, 16. Juni 2015

Mode, Kunst, Moral und das Schöne - Vivienne Westwood besucht Mönchengladbach und hält zwei Vorträge über ihre idealistische Sicht auf die Welt




Einen kurzen Text über Vivienne Westwood zu schreiben erscheint mir als etwas Unmögliches, denn die Britische Modedesignerin entwirft mehr als nur Kleidung, sie entwirft ein ganzes Lebenskonzept. Und so schnitt sie bei den zwei Vorträgen, die sie am vergangenen Dienstag in Mönchengladbach hielt, unendlich viele Themen aus den verschiedensten Lebensbereichen an und bewegte sich eloquent zwischen dem ganz Privaten und der großen Weltpolitik. Dabei wurde vor allem eines offensichtlich: die Basis für das Gelingen aller menschlicher Bestrebungen ist ein an der Kultur geschultes Urteilsvermögen.

Sowohl ihre Naturverbundenheit, die sie seit ihrer Kindheit in Tintwistle einem Dorf in der Grafschaft Derbyshire begleitet als auch ihre Tätigkeit als Grundschullehrerin wirken sich bis heute auf ihr Schaffen aus. Nach wie vor sieht sich Vivienne Westwood als Lehrerin, der die Bildung junger Menschen und das lebenslange Lernen ein ernstes Anliegen ist. Voller Idealismus referierte die Modedesignerin somit zusammen mit ihrem Ehemann Andreas Kronthaler nachmittags vor den Studenten und Studentinnen der Hochschule Niederrhein, um nach einem Pressegespräch im Hochzeitszimmer der Kaiser-Friedrich-Halle am Abend im Saal des historischen Gebäudes vor großem Publikum einen weiteren Vortrag zu halten.

Kultur als Weltformel: das Schöne und das Gute
Unabhängig davon, ob sie nun über Mode, Kunst, Inspiration, menschliche Beziehungen, das Lehren und Lernen, über Werte im Allgemeinen, ob sie über Finanz- oder Klimapolitik sprach – eines war dabei immer der zentrale Punkt: die Kultur. Kultur ermöglicht alles, Kultur ist die Basis von allem Guten, mit Kultur lassen sich die meisten Probleme lösen und  hätten wir mehr Kultur, dann wären wir weder mit der Umwelt noch mit der Finanzlage jemals in Schwierigkeiten geraten.
      Das Faszinierende an Vivienne Westwoods Überlegungen liegt darin, dass sie das Ästhetische und das Moralische als zwei untrennbare Bereiche sieht, die einander bedingen und denen sie den gleichen Wert beimisst. Mit der gleichen Überzeugung, mit der sie T.S. Eliots „Tradition and the Individual Talent“ zitiert, chinesische Malerei bewundert oder von der kulturellen Blüte Frankreichs im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts schwärmt, empfiehlt sie, Plastiktüten mehrfach zu verwenden und Leitungswasser zu trinken, um die Plastikflut zu bekämpfen. Dabei besitzt die überzeugte Vegetarierin so viel Weitsicht hinzuzufügen, dass die Produktion von Plastik weitaus weniger giftig ist als die von Leder.

Kultur, so Vivienne Westwood, ist unbedingt notwendig, um daran sein eigenes Urteilsvermögen zu schulen. Nur wer immer wieder vergleicht, sein wissen erweitert, seine eigenen Schlüsse zieht, erhält einen Einblick in die Möglichkeiten des Menschlichen Genies und ist in der Lage sich fortzuentwickeln. Vivienne Westwood glaubt fest an die menschliche Perfektabilität und auch daran dass man, indem man an sich selbst arbeitet, etwas zu der Weiterentwicklung der gesamten menschlichen Spezies in Richtung von etwas Göttlichem beiträgt. Und so ermutigte sie beispielsweise eine Studentin, die sie fragte, wie man denn nun andere Leute von seinen eigenen idealistischen Überlegungen überzeugen soll, indem sie ihr erklärte, dass es bei den eigenen Taten immer auch darum geht, wer man selbst ist, dass man vieles auch einfach für sich selber machen müsse, auch wenn man niemanden damit überzeugen könne.

Mittwoch, 3. Juni 2015

Stephan Heise: Die Wilhelm-Raabe-Grundschule im Märkischen Viertel, heute Jugendkunstschule Atrium





Vor den am Seggeluchbecken im Märkischen Viertel (Link) aufragenden Wohnhochhäusern mit ihren für den Architekten Chen Kuen Lee typischen spitzen Winkeln und scharfen Kanten fächern sich die flachen, verwinkelt ineinander verzahnten Gebäude der ehemaligen Wilhelm-Raabe Grundschule auf. Sowohl Chen Kuen Lee als auch der Architekt der heute als Jugendkunstschule betriebenen Gebäude, Stephan Heise, studierten bei Hans Scharoun, der für seine ineinander fließenden Räume und seine kantig spitzen Formen, wie beispielsweise das Gebäude der Berliner Philharmonie, bekannt ist. Chen Kuen Lees Gebäude im Märkischen Viertel zeigen durchaus Parallelen zu Scharouns  „Romeo und Julia“ genannten Wohnhochhäuser in Stuttgart Rot aus den Jahren 1955 bis 1959 (Link).

Die seit 1985 in den Räumen der ehemaligen Grundschule betriebenen Jugendkunstschule Atrium entdeckte ich bei einer Radtour ins Märkische Viertel an einem Sonntagnachmittag im März dieses Jahres, als das Ensemble still und über das Wochenende verlassen dalag. Bisher konnte ich jedoch nicht mehr als den Namen des Architekten und seinen Bezug zu Scharoun herausfinden, der sich allerdings auch sehr deutlich an den Bauten selbst mit ihren Dachterrassen, Innenhöfen und phantasievoll ineinander verschachtelten Räumen ablesen lässt. Aus dem Jahr 1970 existieren zudem einige Fotografien, die das gerade vollendete Schulgebäude zeigen (Link). Vielleicht wissen die Leser ja noch etwas über die Architektur von Stephan Heise und möchten hier dazu einen Kommentar hinterlassen? Ich würde mich darüber sehr freuen!


Montag, 1. Juni 2015

Berlin: Das Märkische Viertel (1963 - 1974)



Der Architekt Chen Kuen Lee, von dem dieses und einige weitere Gebäude im Märkischen Viertel stammen, studierte und arbeitete bei Hans Scharoun, bevor er sich mit einem eigenen Büro selbstsändig machte. Sein Lebensende verbrachte er im Märkischen Viertel, in einer von ihm selbst entworfenen Zwei-Zimmer-Wohnung. Hier im Bild eines der noch unrenovierten Gebäude.


Mehrfach habe ich auf dieser Seite bereits über künstlich angelegte Stadtteile berichtet, so genannte Satelliten- oder Trabantenstädte. Von der Gropiusstadt in Berlin war die Rede (Link), von Garath (Link) und dem Bürogbiet Am Seestern (Link), die beide zu Düsseldorf gehören, und auch die Neue Stadt Wulfen (Link) wurde hier schon einige Male thematisiert. In den Beschreibungen schwingt dabei immer eine gewisse Sehnsucht nach Oscar Niemeyers Brasilia und LeCorbusiers Chandigharh mit. Alleine der Ausdruck „Satellitenstadt“ lässt an den Weltraum denken, an Zukunft und Fortschritt, an die Möglichkeit, an einem anderen, weit entfernten Ort ein neues, besseres Leben zu beginnen, eine neue Zivilisation zu gründen. Die Idee der Satellitenstadt passt perfekt in die Aufbruchstimmung und die Technikbegeisterung nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Konzept künstlich angelegter Stadtteile jedoch ist viel älter und stammt noch aus der Zeit, als sich LeCorbusier Gedanken über seine Ville Radieuse und den Plan Voisin machte und schließlich mit seinen Mitstreitern auf einer Reise nach Griechenland die Charta von Athen formulierte.

Zukunft am äußersten Stadtrand
In weiter Ferne liegen die neu angelegten Stadtteile tatsächlich, vor allem in einer großen Entfernung zum Zentrum der eigentlichen Stadt. Dass sich die Bewohner der neuen Wohngebiete vom Rest der Stadt abgeschnitten fühlten, darin lag von Anfang an eines der Hauptprobleme des gesamten Konzepts und wurde stark von dessen Gegnern kritisiert. Gerade Trabantenstädte, also große Wohnviertel, die im Gegensatz zu eigenständigen Satellitenstädten mangels Infrastruktur nicht als eigene Städte funktionierten, sondern tatsächlich nur dem Aufenthalt nach Feierabend dienen, warf man Leblosigkeit und Gleichförmigkeit vor. Und trotzdem: ist es nicht tausendmal aufregender, in einem Vorort von Berlin zu wohnen und von einer Wohnung im 23. Stock einen Ausblick auf futuristische Architektur und in die weite Landschaft zu haben, als in einer deutschen Kleinstadt aufzuwachsen, in der nach 18 Uhr auch kein Mensch mehr auf der Straße ist man Städte wie Berlin nur aus dem Fernsehen kennt?

Berlin: Das Märkische Viertel (1963 - 1974)



Der Architekt Chen Kuen Lee, von dem dieses und einige weitere Gebäude im Märkischen Viertel stammen, studierte und arbeitete bei Hans Scharoun, bevor er sich mit einem eigenen Büro selbstsändig machte. Sein Lebensende verbrachte er im Märkischen Viertel, in einer von ihm selbst entworfenen Zwei-Zimmer-Wohnung. Hier im Bild eines der noch unrenovierten Gebäude.


Mehrfach habe ich auf dieser Seite bereits über künstlich angelegte Stadtteile berichtet, so genannte Satelliten- oder Trabantenstädte. Von der Gropiusstadt in Berlin war die Rede (Link), von Garath (Link) und dem Bürogbiet Am Seestern (Link), die beide zu Düsseldorf gehören, und auch die Neue Stadt Wulfen (Link) wurde hier schon einige Male thematisiert. In den Beschreibungen schwingt dabei immer eine gewisse Sehnsucht nach Oscar Niemeyers Brasilia und LeCorbusiers Chandigharh mit. Alleine der Ausdruck „Satellitenstadt“ lässt an den Weltraum denken, an Zukunft und Fortschritt, an die Möglichkeit, an einem anderen, weit entfernten Ort ein neues, besseres Leben zu beginnen, eine neue Zivilisation zu gründen. Die Idee der Satellitenstadt passt perfekt in die Aufbruchstimmung und die Technikbegeisterung nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Konzept künstlich angelegter Stadtteile jedoch ist viel älter und stammt noch aus der Zeit, als sich LeCorbusier Gedanken über seine Ville Radieuse und den Plan Voisin machte und schließlich mit seinen Mitstreitern auf einer Reise nach Griechenland die Charta von Athen formulierte.

Zukunft am äußersten Stadtrand
In weiter Ferne liegen die neu angelegten Stadtteile tatsächlich, vor allem in einer großen Entfernung zum Zentrum der eigentlichen Stadt. Dass sich die Bewohner der neuen Wohngebiete vom Rest der Stadt abgeschnitten fühlten, darin lag von Anfang an eines der Hauptprobleme des gesamten Konzepts und wurde stark von dessen Gegnern kritisiert. Gerade Trabantenstädte, also große Wohnviertel, die im Gegensatz zu eigenständigen Satellitenstädten mangels Infrastruktur nicht als eigene Städte funktionierten, sondern tatsächlich nur dem Aufenthalt nach Feierabend dienen, warf man Leblosigkeit und Gleichförmigkeit vor. Und trotzdem: ist es nicht tausendmal aufregender, in einem Vorort von Berlin zu wohnen und von einer Wohnung im 23. Stock einen Ausblick auf futuristische Architektur und in die weite Landschaft zu haben, als in einer deutschen Kleinstadt aufzuwachsen, in der nach 18 Uhr auch kein Mensch mehr auf der Straße ist man Städte wie Berlin nur aus dem Fernsehen kennt?

Dienstag, 26. Mai 2015

Berlin: Das Haus der Statistik am Alexanderplatz, 1968 - 1970


Dass man in Berlin durch das unkontrollierte Abreißen kulturhistorisch interessanter Bauten das zerstört, was die Stadt eigentlich ausmacht, ist hinlänglich bekannt. Markante Plätze, die in ihrem Aussehen so typisch für die Nachkriegszeit und in ihrer Konzeption so untrennbar mit der einmaligen Geschichte der Stadt verbunden sind, wie die Gegend um den Bahnhof Zoo im Westen der Stadt und der Alexanderplatz im Osten, werden seit Jahren umgestaltet und der Beliebigkeit preisgegeben. Phänomene wie das himbeerfarbene Alexa-Einkaufszentrum oder auch die Tatsache, dass das ehemalige Centrums-Kaufhaus am Alexanderplatz seiner Wabenfassade aus den Sechzigerjahren beraubt und mit beigefarbenem Travertin verkleidet wurde, werden längst von der Bevölkerung akzeptiert. Das Haus des Lehrers mit seinem Mosaik von Walter Womacka und dem elegant verglasten Kongresszentrum (Link) wurden immerhin saniert. Andere Bauten, die fest zum Ensemble des nach dem Zweiten Weltkrieg als das Zentrum Ostdeutschlands neu konzipierten Platz gehören, wurden und werden jedoch abgerissen. Eines davon ist das Haus der Statistik. Oder besteht etwa noch Hoffnung?